„The war wasn’t just on TV anymore“

Welchen Einfluss der Afghanistankrieg auf die US- amerikanische Bevölkerung hat

Die Freude in den USA über den Tod Osama bin Ladens ist wohl den wenigsten Menschen in Deutschland entgangen. Man fragte sich, ob man sich in der Art und Weise überhaupt über den Tod eines Menschen freuen darf. Es ist wichtig sich in diesem Punkt mit dem Verständnis auseinander zu setzen, dass die Amerikaner gegenüber dem Afghanistan-Einsatz entwickelt haben. Demokratie gut und schön, doch dabei ging es vor allem um die Vernichtung des personifizierten Bösen: Osama bin Laden. „Mission accomplished“, heißt es dementsprechend. Warum Obama trotzdem die Truppen aufstockt, bleibt für den durchschnittlichen US-Bürger ein Rätsel.

Doch Obama wusste, was er tat, als er seinen Focus vom Irak nach Afghanistan verlegte. Dieser Krieg, der wesentlich länger dauert, konnte nicht so ruckartig beendet werden wie es im Irak versucht wurde und doch waren die Chance hier größer, mit der Tötung Bin Landens zumindest eine Legitimierung zu erreichen. Ob dies gelingen wird, muss sich zeigen, denn bereits jetzt bezeichnen Kritiker den Krieg in Afghanistan als Obamas Vietnam.

Es herrscht Uneinigkeit und das nicht nur zwischen Demokraten und Republikanern, sondern allgemein. Aus Umfragen der Agentur „Angus Reid Puplic Opinion“ , einem weltweit agierendem Umfrageinstitut geht hervor, dass im Dezember 2010 45% der Amerikaner den Krieg befürworten während 44% ihn ablehnen. Klare Meinungsbilder sehen anders aus. Hinzu kommt, dass sich die Zahlen seit Beginn des Jahre 2010 immer weiter annähert haben. Inzwischen bezeichnen 38% der Amerikaner den Krieg als Fehler, 40% sagen, man habe das Richtige getan. Eine Idee, worum es in diesem Krieg eigentlich geht haben laut eigener Aussage nur 46%, der Rest hingegen hat keine genauen Vorstellungen weshalb seit 10 Jahren Krieg geführt wird.

Einen Vorwurf kann man den Leuten nicht unbedingt machen, ihre Regierung filtert bewusst und zielgerichtet. Hohe Militärs verzeichnen jeden noch so kleinen Schritt als großen Sprung. Auch das Verhältnis zwischen Militär und Bevölkerung ist in den USA ein Anderes. Vaterlandsliebe ist eine Tugend und wer im Krieg dient, wird selbst von den linksliberalsten Stimmen in den USA geehrt und unterstützt. Dagegen zu reden ist nicht erwünscht.

Und als ob die USA nicht im Moment genug mit sich selbst zu kämpfen hat. Barack Obama ruft zwar zu nationaler Einheit auf, doch auch er muss einsehen, dass „Nach einem Jahrzehnt der Kriege [ist] die Nation, die wir aufbauen müssen, unsere eigene“ ist. Denn insgesamt kostete der Krieg  mit 2011 etwa 468,98 Millarden US-Dollar. Jeder, der sich dafür interessiert, bekommt auf  Costofwar.com sekündliche Updates. Dabei hat die USA derzeit eine Arbeitslosenrate von 9,1%. Armut ist ebenfalls ein Problem, denn in Mississippi lebt ein Viertel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, der Höchststand in den  Vereinigten Staaten. Der Krieg in Afghanistan ist da laut dem Politikforscher Charlie Cook, „so unwichtig, wie er nur sein könnte.“

Doch für die, die es unmittelbar betrifft, ist es nicht nur weit entfernt .
Ein Reporter von USAtoday hat Betroffende vor Ort besucht und es wird deutlich, dass auch sie kriegsmüde sind. Dennoch gibt es auch hier unterschiedliche Ansichten darüber, ob es Zeit ist den Krieg zu beenden oder nicht nicht. Was bleibt, ist das Wissen einen geliebten Menschen verloren zu haben, denn auch wenn es verhältnismäßig weniger Soldaten in Afghanistan sind als zu Zeiten des Vietnamkrieges, so sind sie am Ende doch nicht nur Zahlen in einer Statistik. Der Amerikaner Dale Weeks aus Kentucky bringt es auf den Punkt. „That was one of our boys. […] The war wasn’t just on TV anymore.“  News Editor Tracy Estes schrieb darüber, dass der Krieg nun persönlich geworden war.

Hat der Afghanistankrieg die Gesellschaft der USA verändert? Nein, hat er nicht.
Der elfte September hat den Status der Weltmacht Amerika, die schon länger keine mehr war, noch weiter ins wanken gebracht. Um das zu verteidigen, würde die grausame, dunkle Seite nach außen gekehrt.

Gastartikel von Anna Lisa Steinmeier, stellv. Vorsitzende der Mühlenkreis-Jusos