Auf allen Hochzeiten tanzen?

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Ich habe mir so viel vorgenommen für heute Vormittag. Aber die Zeit scheint davon zu fliegen, kaum die Hälfte auf meiner To-Do-Liste ist erledigt, und es ist schon halb drei. Die Deadlines hängen wie Damoklesschwerter über dem Schreibtisch. Eigentlich sollte ich jetzt schon bei meinem anderen Job sein, aber hier bin ich nicht mal annähernd fertig geworden.  Außerdem: die Wohnung! Die Spüle steht immer noch voll dreckigem Geschirr, den Kleiderschrank hatte ich längst ausmisten wollen. Und wann hab ich eigentlich das letzte mal meine Cousine angerufen? Wir hatten uns doch an Weihnachten versprochen, von jetzt an regelmäßiger in Kontakt zu bleiben. Aber Weihnachten ist irgendwie… auch schon wieder eine Weile her. Das Gefühl, dass die Zeit rast, wir nur noch hinterher hetzen, immer ein bisschen zu spät dran sind – das kennen viele junge Leute.

Wo passen da eigentlich noch Freunde und Familie rein, Entspannung, Muße? Geschweige denn eine eigene Familie… Die Anforderungen, die an uns gestellt werden, scheinen unerfüllbar. Ausbildung? Bitte so schnell wie möglich ultra-erfolgreich abschließen! Karriere? Bitte auf der Überholspur! Kinder? Bitte möglichst viele, möglichst früh! Familie? Bitte um die Eltern kümmern, sonst macht’s ja keiner! Selbst? Dabei bitte immer recht freundlich, hübsch-sportlich und – dabei ganz entspannt bleiben, natürlich!

Wir sollen alles schaffen – und am besten alles gleichzeitg. Damit ist man schnell geschafft. Viele junge Menschen sind damit alles andere als glücklich. Jung sein soll Spaß machen, spannend sein, aufregend – ist dabei in den letzten Jahren jedoch vor allem eins: anstrengend. Eine Gesellschaft in der die Menschen gestresst aneinander vorbei leben, ist schlecht für alle. Wir finden, Arbeit sollte dem Lebensverlauf folgen und nicht nur dem Lebenslauf dienen.

Dafür sollen Beschäftigte besser selbst bestimmen können, wann sie wie viel arbeiten. Wir wollen Arbeitszeitkonten einführen, auf  die ArbeitnehmerInnen über einen bestimmten Zeitraum oder über ihr ganzes Arbeitsleben hinweg,  Arbeitszeit „einzahlen“ können. Nicht so wie bei Momo und den Grauen Herren, die Zeit ist danach nämlich nicht einfach “aufgeraucht” und weg: sie kann wieder “abgehoben” werden – dann, wenn wir sie besonders gut gebrauchen können. Wenn wir eine berufliche Auszeit nehmen wollen, zum Beispiel. Um uns weiterzubilden. Um unseren Kindern beim Spielen und Großwerden zu zu schauen. Um uns ehrenamtlich zu engagieren, in Namibia eine Schule oder in der Nordsee ein Windrad zu bauen. Um eine große Reise zu machen – oder einfach so. ArbeitnehmerInnen sollen ein Recht darauf haben, vorübergehend weniger zu arbeiten oder eine Zeit lang ganz aus dem Job aus- und danach wieder einsteigen zu können. Dabei wollen wir nicht vom Wohlwollen ihres Arbeitgebers abhängig sein – dafür soll es Rechte geben! Die gesetzlichen Bestimmungen dazu wollen wir genauer machen und ausweiten.

Gerade für Frauen sind die Belastung in den Jahren zwischen 20 und Ende 30 besonders groß. Familie und Karriere unter einen Hut bekommen zu müssen, ist auch im Jahre 2013 noch Frauensache. Dabei müssen wir in der sogenannten “Rush-Hour des Lebens” unsere Ausbildung beenden, einen Beruf finden, unsere Karriere starten, einen Haushalt führen, Familie planen, für unsere (alten) Eltern da sein. Auch aus Gründen der Gerechtigkeit müssen berufliche und familiäre Arbeit anders verteilt werden – dann muss sich keiner pausenlos abmühen.

Deshalb wollen wir Jusos eine Familienarbeitszeit einführen. Dabei können Eltern ihre Arbeitszeit vorübergehend auf 30 Stunden pro Woche reduzieren. So können sich beide Elternteile um ihr Kind kümmern, ohne beruflich den Anschluss zu verlieren. Das ist gut für alle: Arbeitgeber, Mütter, Väter und natürlich Kinder. Wir wollen, dass die reine Anwesenheit am Arbeitsplatz nicht mehr der Maßstab für gute Arbeit ist. Dazu muss Job-Sharing, also dass zwei oder mehr Leute sich eine Stelle teilen, viel einfacher werden, egal auf welcher Karrierestufe sie stehen. Wenn Arbeit gerechter verteilt ist, wird das Leben für alle etwas entspannter.

Denn wir wollen ja auf allen Hochzeiten tanzen – und nicht müde in der Ecke sitzen.

Katharina Oerder/blog.jusos.de

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